
Beim Lernen und Sprechen einer Fremdsprache fürchten sich viele davor Fehler zu machen.
Deshalb wird auch so oft damit gezögert, überhaupt mit dem Sprechen anzufangen.
Kommt Dir das bekannt vor?
Die meisten Lehrer werden Dir jedoch sagen, dass Fehler nicht schlimm sind und zum Lernprozess gehören.
Das stimmt auch. Aber ich gehe noch einen Schritt weiter: Du musst Fehler machen! Wenn Du keine Fehler machst, wirst Du nie eine Fremdsprache fließend sprechen.
Kein Mensch hat es bisher geschafft eine Sprache zunächst in der Theorie zu lernen und dann fehlerfrei anzuwenden. So funktioniert das einfach nicht.
Auch Kinder, die ihre Muttersprache lernen, werden zunächst viele Fehler machen, bevor sie korrekt sprechen. Ist das wirklich ein großes Problem?
Warum musst Du also Fehler machen und was bringt Dir das?
Warum es ohne Fehler nicht geht eine neue Sprache zu lernen
Stell Dir vor Du lernst Schwimmen. Du hast den besten Trainer der Welt. Er zeigt Dir ganz genau wie es geht. Er zeigt es Dir im Trockenen, er zeigt es Dir im Wasser. Er zeigt Dir Videos von den weltbesten Schwimmern.
Er zeigt Dir auch ein Lernvideo, in dem jemand gerade Schwimmen lernt. Er erklärt Dir alles bis ins kleinste Detail und sagt Dir was Du tun und vermeiden solltest. Du hast also die beste Vorbereitung, die es überhaupt gibt.
Nun gehst Du ins Wasser und fängst an zu Schwimmen.
Was passiert? Schwimmst Du wie ein Weltmeister oder strampelst Du nur so vor Dich hin?
Genauso ist es beim Sprachen lernen.
Du kannst noch so viel Theorie in Dich reinsaugen, noch so viel Lesen und Hören. Wenn Du mit dem Sprechen anfängst, wirst Du Fehler machen.
Konfuzius sagte mal: „Sage es mir und ich werde es vergessen. Zeige es mir und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun und ich werde es können.“
Du wirst es aber nicht sofort können. Zunächst machst Du Fehler. Danach wirst Du es können.
Perfektionismus ist beim Sprachen lernen fehl am Platz
Perfektionismus ist einer der größten Feinde des Sprachenlernens. Viele Leute kommen nicht weiter, weil alles perfekt und fehlerfrei sein muss.
Vor allem im perfektionistischen Deutschland werden Fehler oft als persönliche Schwäche gesehen und nicht als ausgezeichnete Lernmöglichkeit.
Beim (Sprachen)Lernen ist Perfektionismus aber fehl am Platz.
Ja, Du wirst vielleicht weniger Fehler machen, wenn Du erstmal sämtliche Theorie in Dich reinsaugst. Du wirst vielleicht besser sprechen, wenn Du erstmal hunderte Stunden Tonmaterial gehört hast. Du wirst mit Sicherheit auch besser sprechen, wenn Du erstmal richtiges und fehlerfreies Schreiben gelernt hast.
Aber bis dahin sind vielleicht schon einige Jahre vergangen. Je länger Du wartest, desto schwieriger wird es mit dem Sprechen tatsächlich anzufangen.

Wenn Du zu viele Regeln gelernt hast und beim Sprechen keine Ordnung in Deinen Kopf bekommst, wird es noch schwieriger für Dich zu sprechen.
Du wartest und wartest auf diesen „perfekten Moment“, zu dem Du endlich bereit bist zu sprechen. Doch dieser Moment kommt wahrscheinlich nie.
Das Gleiche gilt bei neuen Vokabeln, neuen Regeln und neuen Satzkonstruktionen. Diese ständig und ständig zu wiederholen und zu üben wird Dir viel weniger bringen als sie direkt anzuwenden. Je schneller Du sie anwendest, desto schneller kannst Du die unumgänglichen Fehler machen. Nur so lernst Du das wirklich.
Wer keine Fehler macht verbessert sich auch nicht
Gerade aus Fehlern lernen wir das Meiste. Du machst nur Fehler bei Dingen, die Du noch nicht so gut kannst. Wenn Du nur das machst, was Du gut kannst, machst Du zwar keine Fehler, lernst aber auch nicht dazu. Deshalb ist eine offene Fehlerkultur, vor allem beim Fremdsprachen lernen, außerordentlich wichtig.
Wie vermeidest Du Fehler?
Indem Du ständig dieselben Satzkonstruktionen nutzt, die Du schon kennst. Indem Du nie neue Vokabeln ausprobierst, denn sie könnten ja fehl am Platz oder falsch ausgesprochen sein. So kommst Du aber auch nicht weiter.
Fehler sollen natürlich korrigiert werden
Du lernst jedoch nur aus Fehlern, wenn sie korrigiert werden. Oder wenn Du direkt im Anschluss hörst, wie es richtig ist. Deshalb ist es so wichtig mit einem Muttersprachler zu sprechen. Dieser korrigiert Deine Fehler und erklärt wie es richtig geht.
Lies hier: In 4 Schritten eine Fremdsprache fließend sprechen
Wenn Du durchgehend Fehler machst und dazu noch Fehler von anderen hörst (wenn Du nicht mit Muttersprachlern sprichst), wird es lange dauern, bis Du die Fehler loswirst.
Viele Fehler werden sich einschärfen und dann dauert es noch länger sie wieder loszuwerden. Aber keine Sorge, bis sich Fehler so stark einschleifen, dass Du sie kaum noch wegbekommst, dauert es sehr lange. Im Endeffekt ist das besser als zu lange mit dem Sprechen zu warten. Denn wenn Du zu lange wartest, verlierst Du deutlich mehr Zeit.
Deshalb ist es auch kein Problem, wenn Dein Tandempartner Dich am Anfang nur wenig korrigiert, um den Sprachfluss aufrecht zu erhalten (hier erfährst Du wie Du ein optimales Tandemgespräch führst). Zunächst sollten nur die groben Fehler korrigiert werden. Je besser Du sprichst, desto kleinere Fehler sollte Dein Gesprächspartner korrigieren.
Fazit: Du musst Fehler machen und solltest Dich über jeden Fehler freuen
Beim Sprachen lernen ist es also wichtig früh mit dem Sprechen anzufangen. Dadurch kannst Du viele Fehler am Anfang machen und machst sie später nicht mehr.
Zudem solltest Du Dich schnell auf unbekanntes Terrain wagen. Das heißt, probiere viel aus: Neue Satzkonstruktionen und neue Vokabeln. So machst Du am meisten Fehler und somit auch am schnellsten Fortschritt.
Hast Du erstmal dieselben Fehler mehrmals gemacht, machst Du sie nicht so schnell nochmal. Danach kannst Du auf einem höheren Level Fehler machen und wieder daraus lernen. Dies ist der optimale Lernprozess. Nur so lernst Du eine Fremdsprache wirklich.
Und da ich Zitate so liebe, hier ist noch eins von Winston Churchill: „Es ist von großem Vorteil, die Fehler, aus denen man lernen kann, recht früh zu machen.“
Wann hast Du Deinen letzten großen Fehler in der Fremdsprache gemacht? Bist Du auch der Meinung, dass man Fehler machen muss um zu lernen? Oder hast Du immer noch Angst davor Fehler zu machen?
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Hallo Gabriel,
das mit den Fehlern sehe ich genauso. Viele Lerner sprechen nicht, weil sie Angst vor Fehlern haben, Angst davor haben, sich zu blamieren, Angst davor haben, ausgelacht zu werden. Ein Fehler ist speziell deutschen Lernen unendlich peinlich. Allerdings – und das ist die Krux an der Sache – finden Deutsche die gleichen Fehler bei Ausländern extrem charmant! Man sollte sich frei davon machen, eine Sprache erst sprechen zu wollen, wenn man „es dann endlich kann“, denn Sprechen lernt man nur durch das Sprechen, genauso wie man Schwimmen nur durch das Schwimmen lernt und Fahrradfahren nur durch das Fahrradfahren.
Außerdem: Was ist so schlimm an einem Fehler? Geht die Welt unter? Sicher nicht? Und nicht umsonst heißt es: Aus Fehlern lernt man. Und manche Fehler, wenn sie wirklich lustig waren, macht man tatsächlich nur einmal im Leben…
Ansonsten, und das ist ein Tipp für sehr strukturierte und strategische Lerner: Man kann auch eine Art Fehlerprotokoll führen. Man schreibt sich also den Fehler auf und schreibt sich die Regel bzw. einige Beispiele dazu und geht diese immer wieder durch. Das hilft auf jeden Fall, vor allem wenn man die Sprache auch noch für die Schule oder Prüfungen lernen muss.
Ansonsten gilt: Man sollte sich nicht verrückt machen lassen, einfach darauf losreden und nur darauf achten, dass das, was man sagen möchte, auch ankommt. Was versteht der Gesprächspartner? Bekommt man das, was man haben möchte? Das ist viel wichtiger!!!
Und wenn man das Sprechen üben möchte, bieten sich stressfreie Situationen an. Warum nicht einmal nach dem Weg fragen, wenn man eigentlich schon weiß, wo man hinmuss? Warum nicht Fragen stellen, wenn man die Antworten eigentlich schon kennt? Dann wird es in Stresssituationen einfacher, weil man ja schon den Ernstfall geprobt hat.
Und nicht zuletzt: Immer mit Spaß und Freude an das Lernen herangehen und alle Sinne nutzen, nach Möglichkeit auch mehrere gleichzeitig!
Herzliche Grüße
Christine
Hallo Christine,
ich danke Dir vielmals für diesen ausführlichen Kommentar. Ich stimme Dir in allen Punkten zu. Das ist eine ausgezeichnete Ergänzung zum Artikel.
Ich verstehe auch nicht diese Besessenheit damit immer alles richtig und fehlerfrei machen zu müssen. Bevor man überhaupt etwas sagt oder macht, wird oftmals nichts tun und nichts sagen bevorzugt. Ein fataler Schritt beim Sprachenlernen.
Vor allem die Idee mit dem Fehlerprotokoll finde ich ausgezeichnet. Damit stellt man sicher, dass Fehler nicht vergessen werden. Während Fehler die eine Reaktion hervorrufen (z. B. der Gesprächspartner versteht den Satz nicht), in der Regel nicht nochmal gemacht werden, kann es bei kleinen Fehler passieren, dass man diesen schnell wieder vergisst.