Wie schön wäre es eine Fremdsprache „geschenkt“ zu bekommen?
Ich habe ein solches Geschenk bekommen und bin zweisprachig mit Deutsch und Russisch aufgewachsen. Ich hatte also die Chance einfach so noch Russisch als zweite Sprache zu beherrschen. Ohne, dass ich mich besonders stark dafür abmühen musste.

Natürlich habe ich rebelliert und hatte keine Lust zu Hause Russisch zu sprechen, aber das war alles damals. Heutzutage spreche ich auch Russisch als Muttersprache und musste nicht allzu viel dafür tun.
Viele Eltern wollen ihre Kinder zweisprachig erziehen. Schaffen es aber nicht, weil sie
- entweder ihre Sprachkenntnisse für nicht ausreichend gut genug halten.
- nicht bereit sind ihren Kindern eine Fremdsprache als Muttersprache beizubringen.
- oder es nicht schaffen sich gegen die rebellierenden Kinder durchzusetzen.
- oder einer der vielen weiteren Gründe.
Bilingual zu erziehen ist nicht leicht. Aber es ist möglich. Nicht umsonst wachsen Millionen von Kinder in Deutschland zweisprachig auf.
Meist sind dies aber Kinder von Migranten. Denn diese bringen, wie es auch bei mir der Fall war, ihren Kindern ihre eigene Muttersprache bei.
Sei es aus Notwendigkeit, weil sie Deutsch nicht gut genug beherrschen, oder weil sie ihren Kindern das Geschenk einer zweiten Sprache geben möchten.
Um Kindern eine zweite Muttersprache beizubringen muss man aber nicht unbedingt Muttersprachler sein. Das beweist Richard Simcott, einer der weltweit bekanntesten Autoritäten zum Thema Fremdsprachen lernen.
Richard hat selbst bereits über 50 Sprachen gelernt und spricht dutzende davon fließend.
Seine Tochter wächst 5-sprachig auf. Im Interview mit mir teilt er seine besten Tipps, wie er es geschafft hat seine Tochter mehrsprachig zu erziehen und wie Du es auch bei deinem Kind schaffen kannst.
Richard kommt aus England, spricht aber fließend Deutsch. Dies ist auch eine der Sprachen, die er seiner Tochter beibringt.
Hier ist unser Interview auf Deutsch, bei dem er seine Erfahrungen und seine Tipps teilt. Unter dem Video findest Du eine Zusammenfassung seiner Tipps zur mehrsprachigen Erziehung und wie Du sie selbst umsetzen kannst.
Wer ist Richard Simcott?
Richard kommt aus Chester, England. Eine Stadt nahe der Grenze zu Wales und wohnt aktuell in Mazedonien.
Er organisiert zusammen mit Alex Rawlings, den wir hier auch schon im Interview hatten, die Polyglot Conference.
Er arbeitet bei „The Social Element Agency“ einer Social Media Agentur als Languages Director, für welche er um die Welt reist, um die Agentur zu repräsentieren und neue Talente zu finden.
Richard ist eine weltweite Authorität zum Thema Sprachen lernen. Er wurde vom deutschen Goethe Institut als „Ambassador for Languages“ ausgezeichnet. Seinen Aktivitäten kannst Du auf seiner Facebook-Seite Speaking Fluently folgen.
Hier sind Richard’s 8 wichtigste Tipps in der Zusammenfassung:
1. Durch stetigen Kontakt mit der zweiten Sprache sie normalisieren
Ein Kind will eine Fremdsprache nur dann sprechen, wenn es den Grund dafür sieht. Wenn das Kind nur zu Hause die zweite Sprache spricht, wird es für das Kind schwer zu sehen, warum das überhaupt getan wird und es wird möglicherweise rebellieren.
Wenn jedoch in der Umgebung auch die zweite Sprache irgendwo gesprochen wird, wird das Kind verstehen, warum es mit der Sprache einen Vorteil hat.
Zum Beispiel macht das Richard mit seiner Tochter, wenn er anderssprachige Familien trifft. Wenn eine solche Familie Deutsch spricht, wechselt er mit seiner Tochter auch auf Deutsch und für sie wird es normal die Sprache anzuwenden.
2. Den Status von Kinder erheben, wenn sie die zweite Sprache sprechen
Kinder wollen schlauer sein als andere. Besonders schlauer als die Eltern. Wenn das Kind also die Chance hat sein Wissen zur Schau zu stellen und dabei noch klüger sein kann als ein Elternteil, wird es motiviert sein weiterhin die Sprache zu sprechen.
Richard hat dabei als Beispiel gegeben, wenn er mal ein Wort auf Deutsch nicht kennt und seine Tochter es für ihn übersetzt und mit Stolz sagt „blöder Papa, das heißt doch so und so“.
3. Es im Interesse des Kindes machen in der Fremdsprache zu sprechen
Ein Kind muss den Vorteil darin sehen die Fremdsprache zu sprechen. Dass es in Zukunft besser zurechtkommt ist aber kein besonders wirksames Argument, weil die Zukunft für Kinder nur sehr kurzfristig gesehen wird (was ist nächste Woche?).
Wenn z. B. ein Kind etwas zu seinem Vorteil nur dann erreichen kann, wenn es die Fremdsprache spricht, wird es motivierter sein die Sprache auch zu sprechen.
Als Beispiel hat Richard den Fall genannt, wo er seiner Tochter eine Überraschung angeboten hat. Diese konnte sie jedoch nur in Anspruch nehmen, weil sie ein Gespräch auf Deutsch geführt hat.
4. Sprachen in Raum und Zeit klar voneinander trennen

Damit ein Kind die Sprachen nicht vermischt und durcheinanderkommt, ist es wichtig, dass diese immer eine klare Trennung voneinander haben. Z. B. wird zu Hause nur eine Sprache gesprochen und außerhalb eine andere. Oder bestimmte routinierte Aktivitäten sind immer nur in einer Sprache, wie der Spaziergang in der Stadt.
So weiß das Kind immer automatisch zu welchem Zeitpunkt welche Sprache gesprochen wird.
5. Wenn möglich: An einen Ort ziehen, an welchem viele Sprachen gesprochen werden
Einer der Gründe warum Richard mit seiner Familie nach Mazedonien gezogen ist, dass es schwer war in England der Tochter eine mehrsprachige Erziehung zu ermöglichen, weil in England eben alle Englisch sprechen.
In Mazedonien ist es ganz normal viele verschiedene Sprachen zu sprechen und so war es auch einfacher für seine Tochter sich darauf einzulassen.
Wenn es also möglich ist in ein anderes Land oder zumindest eine mehrsprachige Stadt (wie z. B. Berlin) zu ziehen, wird es einfacher das Kind mehrsprachig aufwachsen zu lassen.
6. Das Kind aufklären über die Sprachen

Richard hat seine Tochter ganz von Anfang an, als sie noch 3 Jahre alt war, aufgeklärt, warum sie viele verschiedene Sprachen spricht und dass es natürlich ihr überlassen ist. Wenn Kinder komplett aufgeklärt sind, ist es einfacher für sie sich auf eine andere Sprache einzulassen.
7. Das Kind für seine Sprachkenntnisse loben
Richards Tochter freut sich, wenn sie von anderen über ihre Kenntnisse von Sprachen gelobt wird. Das funktioniert besonders im mehrsprachigen Mazedonien sehr gut.
Also sollte das Kind, wenn möglich, von den Eltern aber auch von anderen viel Lob über die Sprachkenntnisse erhalten.
8. Das Kind unabhängig und selbstständig sein lassen mit der Fremdsprache
Kinder wollen immer möglichst erwachsen wirken. Wenn sie die Möglichkeit haben, dies in einer Fremdsprache zu tun, sind sie auch umso motivierter diese anzuwenden.
Zum Beispiel lässt Richard seine Tochter Bestellungen im Ausland durchführen. So kann sie einerseits selbstständig sein und andererseits wendet sie die Sprache an. Wodurch sie noch mehr den Sinn darin sieht, mehrsprachig zu sein und aufzuwachsen.
Lies hier: Was der 3-sprachig aufgewachsene Felix Wang über seine Kindheit und Jugend zu erzählen hat.
Das war das Sprachheld-Interview mit Richard Simcott zum Thema „Wie erziehe ich mein Kind mehrsprachig“. Ich hoffe es hat Dir beim Zuschauen genauso Spass gemacht, wie mir beim Aufnehmen. Über Anregungen, Bemerkungen, Ratschläge oder auch einfach nur Lob von Dir in den Kommentaren freue ich mich natürlich wie immer sehr. Oder auch nur eine kurze Bewertung. Vielen Dank, Dein Gabriel Gelman.