Sprache hat viele Facetten. Wie wir Dinge sehen und verstehen, entscheidet nicht zuletzt unsere Muttersprache.
Meist passen unsere Prägungen und Werte zu unserer Sprache und der dazugehörigen Kultur. Sprache kann verbinden, sie kann aber durchaus auch gefährlich werden und uns negativ beeinflussen. In diesem Beitrag soll der Einfluss von Sprache aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet werden.
Die Macht der Sprache (und ihrer Worte): Sprache (und wie diese angewandt wird) verändert unseren Blickwinkel – auf uns selbst, auf andere und sogar auf die Welt.
Was unsere Sprache über uns aussagt:
Hast du dir schon einmal überlegt, dass Menschen mit anderen Muttersprachen Sachverhalte ganz anders erkennen und erklären als Du? Dies hängt von der Umgebung ab, in der ein Mensch geboren wird und aufwächst.
So haben Spanier ihrer (Ess-)Kultur entsprechend ein Wort, das es nur im Spanischen gibt und das sehr schwer zu übersetzen ist: sobremesa.
Bedeutung von sobremesa: Dieses Wort beschreibt die Unterhaltung, die nach dem Essen noch am Tisch stattfindet. Spanier lieben ausgedehnte Essen mit Familie und Freunden. Dazu gehört auch das Gespräch nach dem Essen. Daher gibt es nur im Spanischen dieses spezielle, kulturspezifische Wort.
Wie man sich in einer anderen Sprache richtig vermisst:
Ebenso ist auch die Art, wie Menschen sich grüßen und verabschieden, sich sagen, dass sie sich lieben und vermissen, von Sprache zu Sprache verschieden.
Dies hängt von der Ansicht der jeweiligen Kultur ab. Französischsprachige Menschen drücken die Tatsache, dass sie jemanden vermissen, beispielsweise so aus:
- „Tu me manques.“ (Du fehlst mir.)
Im Französischen liegt der Fokus eindeutig auf demjenigen, der fehlt, da „Du“ zu Beginn des Satzes steht. Zusätzlich wird ausgedrückt, dass die Angesprochene dem Sprecher abgeht – der Angesprochene ist also ein Teil des Sprechers, der fehlt.
Im englischsprachigen Raum wird dieser Sachverhalt so ausgedrückt:
- „I miss you.“ (Ich vermisse dich.)
Hier steht der Sachverhalt des wahrhaftigen Fehlens des Angesprochenen nicht so im Vordergrund wie im Französischen – er wird also nicht als Teil des Sprechers angesehen, sondern lediglich vermisst.
Die Form auszudrücken, dass man jemanden vermisst, ist von Kultur zu Kultur und von Sprache zu Sprache verschieden. Oft sind es nur einzelne Worte (oder gar Silben) die große Unterschiede ausmachen.
Guten Abend, gute Nacht:
Die Spanier haben bekanntermaßen einen etwas anderen Tages-Nacht-Rhythmus als wir im mitteleuropäischen Raum. Während die Halbinselbewohner nicht selten erst irgendwann ab 16 Uhr ihr Mittagessen einnehmen, überlegt sich unsereins zu dieser Uhrzeit schon, was es denn zum Abendessen geben könnte.
Dieses essen die Spanier übrigens auch um einiges später. Wenn sie sich zu diesem Anlass treffen, grüßen sie sich mit buenas noches.
- Dieser Ausspruch wird erst zu sehr später Abendstunde getätigt – er kann mit „Guten Abend“, aber auch mit „Gute Nacht“ übersetzt werden und ist somit für die Spanier Begrüßung und Verabschiedung gleichermaßen.
Während die Spanier einen Ausdruck für „Guten Abend“ und „Gute Nacht“ haben, unterscheiden wir im Deutschen ganz klar zwischen diesen beiden Ausdrücken.
- Der erste Ausdruck ist für uns nur bis längstens 21 Uhr gebräuchlich – und auch (meist) nur als Begrüßung.
- Alles nach dieser Uhrzeit wird mit „Gute Nacht“ bezeichnet – dies dann nur zum Abschied.
Für die Spanier spielt diese Unterscheidung zwischen „Guten Abend“ und „Gute Nacht“ keine Rolle, da sie für alles vor buenas noches noch den Ausspruch buenas tardes („Guten Tag“, „Guten Nachmittag“) verwenden. Diesen gebrauchen sie meist bis spät in die Nacht. Bei uns undenkbar – oder bist Du schon mal um 22 Uhr mit „Guten Tag“ angesprochen worden?
Über weitere kulturspezifische Unterschiede zwischen Spanien und Deutschland unterhalten sich Paloma und Gabriel in diesem Video:
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenIst das, was wir sagen, auch das, was wir denken und wollen?
Sprache und unsere Ansichtsweise für viele Sachverhalte sind somit stark von der Kultur unserer Heimat und deren Gepflogenheiten und Traditionen abhängig. Wir denken so, wie es uns von klein weg mitgegeben wurde. Wir denken mithilfe von Sprache.
- Drücken wir aber mit Sprache immer explizit aus, was wir denken und wollen?
Wenn jemand die Aussage „Mir ist kalt“ tätigt, kann man davon ausgehen, dass ihm/ihr tatsächlich kalt ist. Es kann aber je nach Situation ganz unterschiedliche unterschwellige Bedeutungen haben, die der/die SprecherIn nicht explizit erwähnt:
- Zwei Personen sitzen auf der Couch und haben das Fenster geöffnet, um etwas Luft hereinzulassen, als der eine sagt: „Mir ist kalt.“ Der andere kann dies einfach anerkennen und nichts weiter tun. Sehr wahrscheinlicher ist es aber, dass er aufsteht und das Fenster schließt. Diesen Effekt wollte der Frierende höchstwahrscheinlich mit seiner Aussage erzielen.
Oder:
- Zwei Personen sitzen bei einem Rendez-vous im Außenbereich eines Cafés, als der eine plötzlich sagt: „Mir ist kalt.“ Vermutlich wird der andere jetzt nicht untätig herumsitzen, sondern seine Jacke anbieten (insofern er eine mithat) oder fragen, ob der eine sich ins Café hineinsetzen möchte. Am naheliegendsten ist es aber, dass der Erste sich in Anbetracht der Date-Situation erhofft, dass der Zweite ihn in den Arm nimmt und wärmt.
In diesen beiden Fällen wird wahrscheinlich auch die körpersprachliche Andeutung von „Mir ist kalt“ (Händereiben, sich selbst umarmen etc.) dazu führen, dass der zweite Anwesende nachfragt, ob dem anderen kalt ist und daraufhin Taten folgen lässt. Der Weg dahin ist für den Frierenden aber wahrscheinlich länger.
Worte haben Macht: Wie Sprache uns positiv oder negativ beeinflussen kann!
Sprache ist überall um uns herum. Worte sieht man überall, wo man hinblickt. Sie beeinflussen uns, obwohl wir es vielleicht gar nicht wollen. Hier eine Werbung, da ein Wahlplakat und dort ein Poster mit einer anstehenden Veranstaltung.
Unablässig (und oft unbewusst) prasselt den ganzen Tag Information auf Dich ein. In Form von Bildern, Geräuschen, ja sogar Gerüchen und natürlich vor allem Sprache. Dich dabei nicht ebenso unbewusst manipulieren – oder zumindest beeinflussen zu lassen – ist schwer.
Unbewusst nehmen wir Worte wahr und prägen sie uns ein. Das kann positiv und negativ sein.
- Wenn wir von jemandem immer wieder beiläufig gesagt bekommen, dass wir schöne Augen haben, werden wir das irgendwann abspeichern und uns wahrscheinlich in dieser Hinsicht selbstbewusster fühlen.
- Etwas, das wir eher nebenbei in einem Gespräch mitbekommen haben, merken wir uns vielleicht. Und werfen es dann bei der nächsten passenden Gelegenheit in einem anderen Gespräch ein.
So verbreiten sich auch Gerüchte sehr schnell:
Je häufiger sprachliche Informationen beiläufig aufgeschnappt und unreflektiert weitergegeben werden, desto eher wird die ursprünglich richtige Version verfälscht und es entsteht daraus eine völlig andere Endversion. Dies kann bei harmlosen Angelegenheiten lustig sein, bei ernsten aber alles andere als das.
Gefährliche Sprache:
Bestes Beispiel dafür, wie uns Sprache negativ beeinflussen und in der Folge zu Vorurteilen führen kann, ist die Flüchtlingsthematik:
- Das Wort „Welle“ in jedweder Verbindung suggeriert etwas, das unkontrolliert, mit voller Wucht und hoher Geschwindigkeit auf etwas zurollt. Im Falle der „Flüchtlingswelle“ aus dem Jahr 2015 bedeutet dies, dass schlagartig und unkontrolliert tausende Flüchtlinge das europäische Festland erreicht haben. Dieses Wort, das zahlreich über die Medien publiziert und nahezu propagiert wurde, veränderte unsere Sichtweise auf Flüchtlinge.
Die andauernde Verwendung von negativ behafteten Wörtern im Zusammenhang mit bestimmten Menschengruppen (Wie in diesem Fall von Welle und Flüchtlingen), kann in den Köpfen der Mehrheit negative Assoziationen hervorrufen.
- Durch die Unkontrolliertheit und Wucht, die das Wort „Welle“ in sich trägt, wurde uns unterschwellig eingebläut, dass es sich bei diesem Prozess genau um so etwas Wuchtiges und Unkontrolliertes handelt. Diese beiden Begriffe und die Gefühle, die damit einhergehen, sind für uns eher negativ besetzt – denn etwas Wuchtiges, das wir nicht kontrollieren können, ist gefährlich. So braute sich unter den Menschen, die „von dieser Welle überschwemmt wurden“, schnell Unmut zusammen. Das Vorurteil über die überschwemmenden, alles vereinnahmenden, in Horden ankommenden Flüchtlinge war geboren.
- Dies ist ein durchaus gefährlicher Vorgang, weil uns so (häufig über die Medien) unterbewusst Vorurteile in den Kopf gesetzt werden. Dies beeinflusst, wie wir über gewisse Sachverhalte wie die Flüchtlingsthematik denken. So wurde den Europäern in Zeiten der „Flüchtlingswelle“ eine vermehrte Skepsis jeglichen „Ausländern“ gegenüber eingebläut, wodurch ein Rechtsruck in der Politik zu erkennen war bzw. ist.
Du siehst: Ein einziges Wort und dessen gezielte Verwendung kann also sehr viel mehr Macht und Auswirkung haben, als Du im ersten Moment vielleicht denken würdest.
Sprache: Fluch und Segen zugleich!
Sprache ist unser wichtigstes Kommunikationsmittel. (Verbale) Sprache setzt da an, wo Körpersprache und Mimik nicht mehr weiterkommen. Wir zeigen durch unsere Sprache, wer wir sind, wo wir herkommen und welche Anschauungen wir aufgrund unserer Kultur (höchstwahrscheinlich) vertreten. Wie wir etwas sehen, verstehen und ausdrücken, hängt von unserer (sprachlichen) Herkunft ab.
Sprache kann uns verbinden und neue Welten eröffnen. Sprache kann aber auch gefährlich und manipulativ werden, wenn sie für politische Zwecke oder von den Medien verzerrt wird. Daher ist es wichtig, über Sprache und ihre Auswirkungen nachzudenken und sie nicht unreflektiert zu verwenden.
Und – wie hat Dir mein Beitrag gefallen? An dieser Stelle kannst Du mir gerne einen Kommentar hinterlassen!